Psalmgebet: 91, 1 – 7 (Jesaja 59, 15b – 20)
Epheser 6, 10 – 17
Lukas 11, 14 – 23
16. Oktober 2016
21. Sonntag nach Trinitatis
Im alten Israel kannte man die Volksklage: die gemeinsame Klage über das viele Unrecht in der Welt, über das Unvermögen der Menschheit, Wege zum Frieden zu finden.
Die jüdischen Frommen wussten, dass sie auch selber schuld daran waren.
Im Buch Jesaja, im 59. Kapitel, finden wir ein Beispiel von solcher Klage.
“Wir harren auf Licht, siehe, so ist’s finster; auf Helligkeit, so wandeln wir im Dunkeln.” Kein anderer kann Recht schaffen als Gott alleine!
Ein Prophet, dessen Namen wir nicht kennen, kommt unserer Hoffnung entgegen, indem er bildend beschreibt, wie Gott gegen das Unrecht der Welt einschreitet und sein Volk erlöst. “Der Herr sieht, dass niemand auf dem Plan ist, und verwundert sich, dass niemand ins Mittel tritt. Da hilft er sich selbst mit seinem Arm, und seine Gerechtigkeit steht ihm bei.
Er zieht Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzt den Helm des Heils auf sein Haupt und zieht an das Gewand der Rache und kleidet sich mit Eifer wie mit einem Mantel.
Nach den Taten wird er vergelten, mit Grimm seinen Widersachern, mit Vergeltung seinen Feinden, ja, den Inseln wir er heimzahlen (…).
Aber für Zion wird er als Erlöser kommen und für die in Jakob, die sich von der Sünde abwenden – spricht der Herr.”Bis dahin das Zitat.
Gott der Herr wird als ein Krieger dargestellt, der Recht schafft auf Erden und der Erlösung bringt denen, die ihn fürchten.
Es gibt also einen geistlichen Kampf, dargestellt in der Bildsprache der damaligen Kriegs-führung: der Panzer der Gerechtigkeit, der Helm des Heils, das Gewand der Rache, der Soldatenmantel der Vergeltung.
Für die Gläubigen ist er ein schützender Gott, wie wir es heute in unserm Psalmgebet (91, 4 – 5) gehört haben:
“Zuflucht wirst du habenunter seinen Flügeln, seine Wahrheit ist Schirm und Schild; damit du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen.”
Zu diesem geistlichen Kampf gibt uns das Lukasevangelium ein anschauliches Beispiel anhand der Heilung eines Besessenen, von dem Jesus die bösen Geister ausgetrieben hatte. Jesus spielt dabei nicht die Rolle eines gewappneten Kriegers. Nein, das liegt nicht in seiner Art.
Aber Jesus hat Autorität! Auf sein Wort müssen die Geister weichen.
Und dann sagt er: “Wenn ich durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist das Reich Gottes zu euch gekommen.”
Der Teufel wird wie ein starker, gewappneter Gegner dargestellt, aber …“wenn ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verliess, und verteilt die Beute.”
Jesus ist der Stärkere! Im Kampf mit dem Bösen ist Jesus der Sieger.
Ja, “durch Gottes Finger”…! Aus der letzten Kantate des Weihnachtsoratoriums kennen wir die Arie für Sopran-Solo, die diese Autorität in unvergleichlich schönen Worten zum Ausdruck bringt:
Nur ein Wink von seinen Händen
stürzt ohnmächtger Menschen Macht.
Hier wird alle Kraft verlacht!
Spricht der Höchste nur ein Wort,
seiner Feinde Stolz zu enden,
o, so müssen sich sofort
sterbliche Gedanken wenden.
Auch der Apostel Paulus spricht in seinen Briefen oft vom geistlichen Kampf, in dem wir als Gläubige verwickelt werden, und im letzten Kapitel seines Briefes an die Epheser benutzt er dazu das Bild eines gerüsteten Kriegers.
Der Krieger ist in diesem Fall nicht Gott, wie bei Jesaja, sondern der Gläubige, der aber gleich am Anfang des Abschnitts gemahnt wird: “Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke!”
Denn, so sagt er – wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Mächten, die diese Welt beherrschen, “mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen.”
“In dieser Finsternis” – Paulus meint da wohl das selbe, was wir im 91. Psalm gelesen haben über das Grauen der Nacht.
Es ist die geistige Finsternis, in der das Böse herumschleicht und die Harmlosen erbeutet. Die Waffenrüstung Gottes macht uns fähig, diesen Mächten Widerstand zu leisten.
Die Metaphern, die der Apostel dabei gebraucht, sind vielsagend.
”So steht nun fest – sagt er –, umgürtet an den Lenden mit Wahrheit.” Werdet fertig mit dem Lügengeist, der Übles beschönigen will.
“Zieht euch den Panzer der Gerechtigkeit an.” Also die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; die Gerechtigkeit aufgrund von Christi Verdienst.
“Und an den Beinen gestiefelt, bereit, einzutreten für das Evangelium des Friedens.”
Wir dürfen mit unsrer Rüstung nicht einfach sitzen bleiben und abwarten, sondern müssen unsre Stiefeln anziehen, uns auf den Weg begeben, eintreten für die Sache unsres Herrn.
“Vor allen Dingen aber – und hier kulminiert die Bildsprache des Apostels – ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen.”
Es ist, wie das Psalmwort es uns gesagt hat: “Du brauchst nicht zu erschrecken vor den Pfeilen, die des Tages fliegen.” Das Schild des Glaubens wird euch dagegen beschützen. “Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.” Wir erinnern uns der Geschichte von Jesu Versuchung in der Wüste, wie er jede Verlockung des Bösen erwiderte mit einem “aber es steht geschrieben.”
Wer sich das Wort Gottes angeeignet hat, kann es zum Angriff benützen wie ein scharfes, zweischneidiges Schwert (Offenbarung 1, 16. 2, 12).
“Widerstand werden wir leisten – sagt uns der Apostel – und alles überwinden und das Feld behalten.
Jesus ist Sieger. Wir wissen es. “Es streit’ für uns der recht Mann, den Gott hat selbst erkoren.”
Und der Satz aus dem Lutherlied endet mit der triumphierenden Aussage: “Das Feld muss er behalten.”
Als Gemeinde Christi sind wir eine Gemeinde von Kämpfern, gerüstet für den Kampf um das Gute.
Eine vernünftige Strategie, eine Organisation der verfügbaren Kräfte ist dabei sicher zu empfehlen.
Schon die geistlichen Ritterorden des Mittelalters haben das verstanden. Die Jesuiten im Zeitalter der Gegenreformation waren nach militärischen Grundsätzen organisiert.
Im 19. Jahrhundert stiftete der Engländer William Booth seine Heilsarmee, deren Mitglieder noch heutzutage in hoffnungslosen Winkeln der Gesellschaft mutig kämpfen, um Menschen ohne Hoffnung wieder auf den rechten Weg zu bringen.
“Leben heisst kämpfen.” In Brasilien habe ich diese Worte kennengelernt als die Losung, womit die Ärmsten unter den Armen ihre Lage zu meistern suchten.
Ein jeder von uns kennt seinen Kampf, sei es als Einzelner, sei es in der Familie oder zusammen mit Kampfgenossen.
Uns allen hält die Schrift heute das Wort des Apostels vor: “Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke!” Amen.
Klaus van der Grijp