Lesung Jesaja 40, 26 – 31
Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen. Seine Macht und starke Kraft ist so gross, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber? Weisst du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; die aber auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.
2. Lesung Johannes 21, 1 – 13
Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galilea und die Söhne des Zebedeus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprachen zu ihm: So wollen wir mir dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da sprach der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll grosser Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimm das Brot und gibt’s ihnen; desgleichen auch die Fische.
Predigt
Johannes 21, 1 – 14
Eine unglaublich schöne Geschichte! Am frühen Morgen, am See Tiberias, gehen da Fischerleute ihrem Beruf nach, und auf einmal erkennen sie in einem Menschen am Ufer den auferstandenen Jesus! Eine rührende Ostergeschichte, die aber in Johannes 21 einen eigenartigen Platz hat.
Denn mit dem vorigen Kapitel, Johannes 20, hat der Verfasser sein Evangelium eigentlich schon abgeschlossen. Er wünscht nur noch seinen Lesern, dass sie durch den Glauben das Leben haben mögen im Namen Jesu Christi. Unerwartet folgt dann aber noch eine Fortsetzung, ein Anhängsel sozusagen, mit einer weiteren Ostergeschichte.
Wir dürfen fragen, wo diese Geschichte im zeitlichen Ablauf der Dinge denn eigentlich hingehört. Waren die Jünger Jesu, nachdem sich ihnen der Meister in Jerusalem, hinter verschlossenen Türen, offenbart und ihnen sogar schon die apostolische Vollmacht verliehen hatte (Johannes 20, 19 – 23) – waren sie daraufhin wirklich nach Galiläa zurückgekehrt um ihr Fischergewerbe fortzusetzen?
Es sieht eher danach aus, dass wir hier mit zwei verschiedenen Überlieferungen zu tun haben: nach der einen offenbarte der Auferstandene sich schon am dritten Tag in Jerusalem, nach der anderen erst später in Galiläa.
Im Matthäus- und Markusevangelium lesen wir doch, dass Jesus “nach seiner Auferstehung vor den Jungern hingehn würde nach Galiläa” (Mt 26, 32; Mk 14, 28). Bei dieser Überlieferung schliesst die Erzählung von Johannes 21 gut an.
Es ist wichtig, uns dessen bewusst zu sein: Die Begegnung am See Tiberias erfolgt nicht, nachdem die Jünger schon um Jesu Auferstehung wussten, als hätten sie das doch schon in Jerusalem erfahren; nein, ihre Erfahrung ist jetzt ganz neu und unerwartet.
Wenn sie ihr früheres Fischergewerbe wieder aufgenommen hatten, so zeigt sich darin, dass sie ihre Zeit mit Jesus als abgeschlossen betrachteten; dass sie davon nichts mehr erwarteten. Um so grösser ist ihr Erstaunen über das, was jetzt geschieht.
Die Erzählung ist voll von symbolischen Angaben. Erst schon einmal: Wieviel Jünger hatten sich denn am See Tiberias zusammengefunden? Nicht zwölf, wie früher einmal, auch nicht elf, wie nach dem Versagen des Judas Iskariot, sondern sieben. Sieben ist die Zahl der Gesamtheit, der all-umfassenden Gemeinde Christi, ebenso wie in dem Buch der Offenbarung Christus sich an sieben Gemeinden wendet.
Eine weitere Symbolik finden wir in der Tätigkeit des Fischens. Zunächst scheint sie sinnlos zu sein: ein ganze Nacht fangen sie überhaupt nichts. Dann aber hören sie den Ruf eines Unbekannten am Ufer: “Werft das Netz doch zur anderen Seite des Bootes aus!” Und siehe da: Irgend etwas Fundamentales har sich da verändert; eine Umwertung aller Werte. Sie können das Netz nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische!
Von zweien der sieben Jünger erfahren wir eine sofortige Reaktion: von Petrus und von dem Jünger, “den Jesus liebte”, dem Lieblingsjünger also, den wir als Johannes identifizieren dürfen. Hat Johannes die Gestalt am Ufer als seinen Meister erkannt? Es wird uns nicht ausdrücklich gesagt. Aber hatte der selbe Lielingsjünger nicht auch schon einmal geglaubt, als er nichts anderes sah als das leere Grab? (Johannes 20, 8)
Wie erkennt man einen geliebten Menschen? An der Stimme vielleicht? Ich glaube, es war wohl vor allem eine Herzenssache. Irgendwie spürte der Lieblingsjünger, dass der wundersame Fischfang auf den geliebten Meister zurückzuführen war. Daher sein fassungsloser Ruf: “ES IST DER HERR!”
Ja, aber nun hört den Petrus, wie er reagiert. Dass da zwischen ihm und der Gestalt am Ufer zweihundert Ellen Wasser sind, ist ihm einerlei. Die Szene, wie er dereinst gleich wie Jesus über die Wellen laufen wollte, hat er längst vergessen. Er hat seinen Meister erblickt! Kühn springt er ins Wasser und erreicht schwimmend das Ufer.
Ist er also der erste, der den Auferstandenen leibhaft gesehen hat? Eine solche Vermutung würde gut passen zur Aussage des Apostels Paulus, die sicher viel älter ist als das letzte Kapitel des Johannesevangeliums: dass nämlich Christus am dritten Tage auferstanden sei und dann von Kephas – das ist Simon Petrus – gesehen wurde (1. Korinther 15, 5).
Noch weiter reicht die Symbolik unserer Erzählung. Auch die anderen Jünger erreichen das Ufer, und sie schleppen das Netz mit den Fischen mit. 153 grosse Fische sind es! Nach einem alten Kommentar soll es im Ozean gerade soviele verschiedene Fischarten gegeben haben.
Sofort erinnert uns dieser Fischfang an den aus Lukas 5, wo den Jüngern versprochen wird, dass sie eines Tages “Menschenfischer” werden sollen: dass sie Menschenseelen fangen werden in das Netz der Frohen Botschaft: Menschen aus allen Ländern, aus allen Völkern, aus allen Religionen: 153 mag also wohl auf die werdende Kirche in ihrer Gesamtheit und in ihrer Diversität deuten.
Jesus sitzt am Ufer, wo ein Kohlenfeuer brennt. Es ist Brot da, die Jünger bringen ein paar von ihren Fischen dazu und Jesus spricht: “Kommt und haltet das Mahl!” Keiner von den Jüngern wagt es zu fragen: “Wer bist du?”, denn – so heisst es – “sie wussten, dass es der Herr war.” Ihr Herz hat ihnen die Antwort gegeben.
Im letzten Bibelbuch, im Buch der Offenbarung, finden wir den Schlüssel zu dieser wunderbaren Geschichte. Der auferstandene Christus spricht: “Wer meine Stimme hört und mich hineinlässt, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir.” Es ist die Abendmahlsgemeinschaft, in der wir als Jünger Jesu die Verbundenheit mit dem auferstandenen Herrn zutiefst erfahren.
Brot und Fisch … Wann hatte es denn einen kleinen Jungen gegeben, dem seine Mutter als Proviant fünf Brote und zwei Fische mitgegeben hatte, die dann reichten um fünftausend hungrige Menschen zu sättigen? Das Mahl des Herrn reicht für alle, es ist eine Verheissung für alle Völker in der Welt.
Wenn wir die Geschichte vom wundersamen Fischfang noch einmal genau lesen, finden wir wohl auch im Kohlenfeuer eine tiefere Bedeutung. Feuer bedeutet Wärme, es bedeutet Glut! Die Mahlzeit mit dem Auferstandenen ist nicht bloss ein Picknick, sie ist durchdrängt von Geist und Feuer. Von Geist und Feuer durchdrängt reicht uns Christus die Mahlzeit dar.
Was sieben Jünger dort am See Tiberias erlebten, ist eine Einladung an uns alle und an jeden von uns. Wir hier in der Ukraine, wir gehören zu den 153 Fischen, die sich im Netz der Frohen Botschaft haben fangen lassen. Und das Netz ist nicht zerrissen, denn “Die Kirche steht gegründet / allein auf Jesus Christ” (EGB 264)
Gleichzeitig ist es aber eine Einladung an jeden einzelnen von uns. Der Auferstandene klopft an unsere Herzenstür; wir brauchen ihn nicht zu fragen: “Wer bist du?” Denn ohne Worte verstehen wir, dass es der Herr ist. Und wenn wir ihn hineinlassen, wird er kommen und Mahlzeit mit uns halten, und wir mit ihm.
Wenn Du Dich in diese Ostergeschichte einmal hineingelebt hast und verstehst, dass es der Herr ist, der da am andern Ufer auf Dich wartet – vielleicht wirst Du dann auch, wie Petrus, sofort ins Wasser springen, Deine alten Sicherheiten zurücklassen und – sozusagen “schwimmend” – dem Herrn entgegengehen. Christus ist erstanden! Ich wünsche Euch frohe Ostern.