Gottesdienst, Misericordias Domini, von Pastor Matthias Lasi, 18.04.2021

Der heutige Sonntag steht unter dem Leitspruch

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

Johannes 10,11a.27-28a

 

Psalm 23

1 Ein Psalm Davids.

Der HERR ist mein Hirte,

mir wird nichts mangeln.

2 Er weidet mich auf einer grünen Aue

und führet mich zum frischen Wasser.

3 Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir,

dein Stecken und Stab trösten mich.

5 Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du salbest mein Haupt mit Öl

und schenkest mir voll ein.

6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,

und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

 

Gebet

Gott, der uns behütet als unser guter Hirte, bleibe bei uns und führe uns, schenke uns immer wieder einen neuen Anfang, dass wir aufeinander zugehen können und miteinander Gemeinde sind. Behüte uns in den finsteren Tälern und lass uns immer wieder aufs Neue füreinander da sein.
Schenke uns Freiheiten, die wir brauchen, um unsere Begabungen zu entfalten.
Hilf uns, dass wir nicht stehen bleiben mit unserem Denken. Lass uns unterwegs bleiben auf dem Weg, der zu dir und deinem Evangelium führt.

Amen

 

Hesekiel 34,1+2+10-16+31

1 Und des HERRN Wort geschah zu mir:

2 Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?

10 So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.

11 Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen.

12 Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war.

13 Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande.

14 Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels.

15 Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR.

16 Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

31 Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.

 

Johannes 10,11-18

11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.

12 Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie -,

13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.

14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,

15 wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.

16 Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich’s wieder empfange.

18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu empfangen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.

 

Predigt

Als zweiter Sonntag nach Ostern steht der heutige Tag unter dem Thema: Misericordias Domini  – von der Barmherzigkeit Gottes, gefeiert als Sonntag vom Guten Hirten.

 

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Dieser Satz gehört vielleicht zu den bekanntesten Sätzen der Bibel. Das Bild vom guten Hirten, der Geborgenheit, Fürsorge und Zuversicht vermittelt.

 

Jedoch die Wirklichkeit für die Mehrheit der Menschen sieht anders aus. Spätestens seit der Corona-Krise ist uns allen klar geworden wie verletzlich wir mit unserem Leben sind und wie wenig Sicherheit unsere technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bieten, wenn es an guten Hirten fehlt.

 

Davon weiß auch auf seine Weise der für die Predigt zum heutigen Sonntag vorgegebene biblische Text. Er benennt aber auch eine ermutigende Alternative in bedrohlicher Lage.

 

Ich denke, irgendwie kommt uns das bekannt vor: Korrupte Eliten im Großen wie im Kleinen, skrupellose Führungskräfte, selbst in der Kirche. An Hirten, die nur sich selbst weiden, die nur ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen, ihren eigenen Kopf zu retten versuchen, mangelt es nicht. Machtpolitische Hirten in Syrien und in einem großen Land nicht weit weg, die auch auf ihre eigene Herde schießen lassen!

 

Aber es wäre zu einfach, wenn wir einfach nur auf die anderen zeigen. Wir alle tragen Verantwortung für unsere Familien, für die Kinder, für den Ehepartner und nicht zuletzt für uns selbst und unsere Welt.

 

Ja, wir müssen für uns sorgen. Wenn man den Kinderschuhen entwächst, ahnt man nach und nach, wie wenig kuschelig es in unserer Welt zugeht. Und irgendwann, erwachsen geworden, weißt du es auf einmal ganz genau. Denn du lernst die Situationen kennen, wo du dich verlierst im Gestrüpp des Lebens und niemand bei dir ist.

 

Du merkst, du musst für dich selbst sorgen, wenn du durchkommen willst. Und manchmal suchst du auch vergeblich nach jemandem, der dich kennt und liebhat. Wer denkt denn nicht zuerst an sich selbst und an das eigene Fortkommen? Was ist denn daran so schlecht?

 

Allem Anschein nach hat sich in der Menschheitsgeschichte seit mehr als 2.500 Jahren, seit dem Wort an den Propheten Hesekiel nichtviel geändert. Damals im 6. Jahrhundert vor Christus saßen die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, weil ihre Eliten versagten. Die Lebensgrundlage als Nation hatten sie verloren und es gab kaum eine Hoffnung auf Rückkehr ins Heimatland.

 

Heute steht die Menschheit vor weit größeren Herausforderungen. Nicht nur eine Nation ist betroffen. Die Lage ist bedrohlich, wenn wir an den verantwortungslosen Umgang des Menschen mit der Natur als seiner Lebensgrundlage denken. Die Corona-Pandemie, die Kriegsgefahr und die Bedrohung durch Kernenergie und Umweltverschmutzung sind die großen Beispiele.

 

Verzeihen Sie mir an dieser Stelle ein banales Beispiel aus der heutigen Landwirtschaft, das die Schwierigkeit der Lage zeigt:

Vor 100 Jahren produzierte eine Kuh etwa 2200 kg Milch pro Jahr. Bis heute wurde diese Menge auf etwa 8500 kg oder mehr gesteigert. Das hat natürlich auch Folgen.

 

Vor 100 Jahren wurde eine Kuh 20 Jahre alt. Heute hält das so ein hochgezüchtetes und speziell gefüttertes Tier gerade einmal 5 Jahre durch. Auch an den Inhaltstoffen der Milch geht die Steigerung nicht spurlos vorüber. Und wir haben noch gelernt, Milch ist gesund.

 

Manche Fachleute raten heute zur Vorsicht. Schon bei solch alltäglichen Dinge ist heute nicht mehr so einfach zu entscheiden, was ist gut und was schadet. Schön wäre, wenn man einen Hirten hätte, der eindeutige Antworten geben könnte.

 

In dieser Situation nicht zu resignieren und sich nicht einfach nur dem Schicksal auszuliefern war dem Propheten wichtig. Deshalb hatte er eine kühne Alternative anzusagen:

 

Gott – nicht irgendein Gott, sondern der aus Unterdrückung und Gefangenschaften befreiende und herausführende Gott – wird selbst Hirte sein und das tun, was ein verantwortungsbewusster Hirte tut: Er wird seine Herde weiden und nicht verantwortungslos ausnutzen.

 

Was nun Hesekiel seinerzeit nicht wissen konnte, wie Gott, der Befreier, sein Hirtenamt ausüben wird.

Wir blicken heute auf die vielen Jahre seit Hesekiel zurück. Jesus hat uns gezeigt, wie Gott sein Hirtenamt ausübt.

 

Erinnert sei nur an Jesu Umgang mit Kindern und Frauen, die zu seiner Zeit Sache und Ware waren, für ihn aber Menschen.

“Ich bin der gute Hirte”, sagt Jesus, “meine Schafe werden niemals umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen”.

 

Das Evangelium erzählt, wie die Leute damals darauf reagiert haben: “Als sie das hörten, hoben sie Steine auf, um ihn zu steinigen”.
Als sie den Hüter des Lebens so reden hören, werden sie aggressiv: Was für eine heile Welt maßt der sich an zu vertreten im Namen Gottes!? Er verführt die Menschen.

 

Seltsam! Bei den Leuten damals löst das, was Jesus sagt, keine Wohligkeitsgefühle aus. Sie lassen ihn sofort spüren, wie die Welt, in der wir leben, wirklich aussieht.
Und wie unbehütet Er selbst lebt, der Hüter des Lebens. Wir wissen: Sie werden ihn töten. Nicht gleich, aber später.
Der gute Hirte, dieses vordergründig idyllische Bild, das uns so kuschelig anmutet, weil es heile Welt zu verkörpern scheint, würde unglaubwürdig, wenn es nicht die Lichtblicke gäbe.

 

Es gibt sie, die Menschen, die ihre Verantwortung ernst nehmen. Oft springen andere Menschen ein, sehen die Not und engagieren sich, wenn die eigentlichen Hirten sich nicht kümmern.

 

Die Pakete, die da links noch stehen und nicht abgeholt wurden sind solch ein Lichtblick. Hinter den Paketen stehen Menschen, die Geld gespendet haben, damit nicht nur hier in Kiew Not gelindert werden kann.

 

Ein weiteres Beispiel sehe ich im House of Mercy der St. Martin Gemeinde hier in Kiew. Dort kümmern sich Freiwillige um diejenigen, die alles verloren haben, sogar ihr zuhause.

 

Jesus sagt einmal: Was ihr einem unter diesen meinen geringsten Schwestern und Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.

 

Auch wir in St. Katharina wollen unsere Augen nicht verschließen und unsere Verantwortung wahrnehmen, damit das Bild vom guten Hirten nicht nur ein schönes idyllisches Bild bleibt.

Amen.

 

Fürbittengebet

Wir beten für die Menschen,
die Hilfe und Führung suchen in ihrem Leben.

Wir beten für die Menschen,
die in den finsteren Tälern des Lebens sind,
die kein Licht am Ende des Tunnels sehen. Besonders denken wir an diejenigen, die durch die Corona-Maßnahmen in Not geraten sind. Schenke uns wache Augen und ein offenes Herz, damit wir erkennen wo Hilfe nötig ist.
Zu dir rufen wir: Herr, erbarme dich …

 

Wir beten für unsere Gemeinde.
Mache uns zu Menschen,
die zu Liebe, Glaube und Hoffnung wirklich einladen. Wir denken dabei an die Menschen, die keiner einlädt.
Zu dir rufen wir: Herr, erbarme dich …

 

Wir beten für die Menschen,
die in Politik, Kirche und Wirtschaft zu regieren haben.
Schenke ihnen Bewusstsein für ihre Verantwortung.

Wir beten für die Menschen,
die zu Opfern von Terror und Katastrophen werden.
Wir denken an die ernste Lage im Donbass und auf der Krim. Zu dir rufen wir: Herr, erbarme dich und schenke Frieden!

Amen

 

Segen

Gott segne euch und behüte euch.

Gott lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.

Gott erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.

(Amen, amen, amen)