Letzte Predigt von Hans-Ulrich Schäfer

3 Gelobet sei Gott und der Vater unsers HERRN Jesu Christi, der uns nach seiner Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel 5 euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereitet ist, daß sie offenbar werde zu der letzten Zeit. 6 In derselben werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewährt wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn nun offenbart wird Jesus Christus, 8 welchen ihr nicht gesehen und doch liebhabt und nun an ihn glaubet, wie wohl ihr ihn nicht sehet, und werdet euch freuen mit herrlicher und unaussprechlicher Freude 9 und das Ende eures Glaubens davonbringen, nämlich der Seelen Seligkeit.
(1.Petrus 1)

Liebe Gemeinde,

irgendwie spricht mir der 1. Petrusbrief gerade voll aus dem Herzen, wenn es dort heißt: ‘Gelobt sei Gott … , der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung … , zu seinem … Erbe’! Wissen Sie warum? Weil ich das Gefühl habe, als wäre von uns die Rede, von unserer Gemeinde! Hören Sie doch, wie es weiter heißt: ‘Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit dann euer Glaube als echt … befunden werde’!

Befindet sich unsere Gemeinde nicht schon eine kleine oder größere Zeit in mancherlei Anfechtungen? Ich bin nun ein halbes Jahr hier. Und was erlebe ich seither? Daß wir uns immerzu viele Gedanken um unsere Existenz als Gemeinde gemacht haben und machen, daß wir als Gemeinde ob unseres besonderen Profils, eine Deutsche Gemeinde in der Ukraine zu sein, die doch gleichwohl eine Internationale und zuerst eine Ukrainische Gemeinde ist, angefeindet worden sind, daß es doch tatsächlich Leute gab, die dachten, sie könnten unsere Gemeinde durch eine Nacht- und Nebelaktion einschüchtern, daß aber wir fast wie Verbrecher das Gefühl haben sollten, gerichtlich belangt zu werden und uns verantworten zu müssen, daß schließlich alle anderen das Recht hätten, über uns zu bestimmen, nur nicht wir. Ja, wir waren und sind traurig! Und es macht keinen Spaß, und wir machen es uns wahrlich nicht leicht, auf diesem Hintergrund in der Gemeindeversammlung am kommenden Sonntag eine Entscheidung über die DELKU-Mitgliedschaft zu treffen und über ein aktualisiertes Gemeinde-Statut. Aber wenn wir als Gemeinde nicht weiteren Anfechtungen ausgeliefert sein und uns weiter lähmen lassen wollen, wenn uns nicht weiter Hoffnungslosigkeit begleiten soll, die einer schon in solche Worte gefaßt hat: ‘Wer weiß, ob es uns im nächsten Jahr noch gibt …?!’ – dann wird es Zeit, daß wir mit unserem österlichen, wie ‘durchs Feuer geläuterten’ Auferstehungsglauben ernst machen! Und, ich finde, damit haben wir jetzt auch wirklich schon angefangen! Ich will den Tag sozusagen nicht vor dem Abend loben. Aber das Vorspiel zu dem Lobgesang, der hoffentlich zum Beispiel mit den Worten des 1. Petrusbriefes am nächsten Sonntag am Ende der Gemeindeversammlung ausbrechen wird, können wir heute schon mal singen: ‘Gelobt sei Gott … , der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat’! Ja, was wir da betreiben, ist unsere Wiedergeburt als Gemeinde, wir dürfen sogar sagen, als Kirche Jesu Christi; aber nicht wir betreiben sie, sondern Gott ist es, der da in uns und unter uns wirkt; es ist seine große Barmherzigkeit, der wir diese Wiedergeburt verdanken! Und wenn jetzt wieder ‘jemand’ kommen sollte, um uns abermals das Wort im Munde umzudrehn, zB. das Wort ‘Wiedergeburt’, und versuchen sollte, uns daraus einen Strick zu drehen, bloß weil es einen gleichnamigen Verein gibt, der kann ja gern ruhig mit Nikodemus darüber diskutieren, der aber in seinem Nachtgespräch mit Jesus zum gleichen Thema zeigte, daß auch er nichts verstanden hatte, nichts! Die Wiedergeburt aber, von der wir mit dem 1. Petrusbrief reden und die wir an uns erleben können, hat keinen anderen Sinn – als, unsere Gemeinde wieder zur Hoffnungskirche und Hoffnungsgemeinde zu machen, zu einer Hoffnung auch für andere Christen, Gemeinden und Kirchen! Diese Wiedergeburt hat keinen anderen Sinn – als, von Gott durch seine große Barmherzigkeit als rechte und gerechtfertigte

Erben bestätigt zu werden!

Natürlich ist mir klar, daß ich damit zunächst den vorläufigen Sinn, das vorläufige Ziel beschreibe, wenn ich uns mit unserer Gemeinde in den Worten des 1. Petrusbriefes wiederfinde. Aber genau so sieht es aus, wenn Bibel tröstet und bestärkt und ermutigt, wenn sie also die Ewigkeit in die Gegenwart hineinholt, wenn sie ‘der Seelen Seligkeit’ in der Wirklichkeit spürbar werden läßt. Sie vertröstet nicht: Später, am Ende, wird alles besser; so lange mußt du noch aushalten.

Nein, mit dem Thomas des Evangeliums leitet sie uns an, mindestens gewillt zu sein, den Finger in die Wunden zu legen, also alles genau zu erkunden und zu wissen, Ursache und Wirkung zu ergründen, nicht locker zu lassen in der Suche nach der Wahrheit des Glaubens. Denn darin sind wir doch alle gleich und unterscheiden uns damit sogar noch von diesem Thomas – der 1. Petrusbrief schreibt es so: ‘Ihn habt ihr nicht gesehen …, und nun glaubt ihr an ihn (Jesus Christus), obwohl ihr ihn nicht seht’! Das heißt, die Wahrheit des Glaubens liegt nicht einfach auf der Hand – auch nicht qua Amt, bloß weil ich Diakon, Pastor, Bischof oder Papst wäre. Wie Thomas haben wir uns schon zu bemühen! Aber wie dem Thomas, davon bin ich allerdings auch überzeugt, wird es uns auch passieren und geschehen, daß von Zeit zu Zeit die rechte Erkenntnis, die Wahrheit des Glaubens plötzlich mitten auf dem oder im Weg steht. Wir können dann nur noch wie Thomas sagen: Mein Herr und mein Gott! Ach, stimmt ja, Gott, Du, wer sonst, deine Barmherzigkeit, oder deine Wegweisung, was sonst?! Über solche Sternstunden der Menschheit kann man sich doch nur freuen! Und daß das möglichst vielen Menschen, Christen, Gemeinden, Kirchen geschehen kann, sich zu ‘freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude’, daran mitzuwirken, dahin muß unsere Deutsche Ev.-luth. Kirche und Gemeinde St. Katharina Kiew wieder zurückfinden. Nicht die Beschäftigung mit unserer Existenz und Existenzberechtigung ist doch unsere Aufgabe, sondern die Verkündigung der österlichen Freudenbotschaft!
Liebe Gemeinde, der Herr ist auferstanden …!

Und der Frieden Gottes, der weiter und höher ist als alle menschliche Vernunft, umfange und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Bild: Rado Javor